Monat: Dezember 2015

12-25

Auf dem ruhig dahinfliessenden Rhein sitzt eine Möwe. Ihr Schatten schwimmt mit, sie und er bilden ein Paar, das sich liebt, Körper auf Körper. Ein zum Tag der Liebe passendes Bild, denke ich. Dann fliegt das Männchen auf, der Sonne entgegen, das Weibchen verschwindet hinunter ins Dunkel, und jetzt fällt mir auf, dass mein Bild falsch und unangebracht ist. Vögel… Read more →

12-20

Ein Ast mit dürren Blättern hat mich eben davor gerettet, weiter an mir herumzudenken und meine Person als Zentrum der Welt anzusehen. Im Zentrum ist jetzt er, das Objekt, und ich trete, ihn betrachtend, in den Hintergrund. Ich bin nur noch Subjekt. Das Subjekt steht immer am Rand, vergiss das nie. Es ist Diener des Objekts, ein stiller Verehrer von… Read more →

12-19

Der Junge, der mit seiner Mutter im Zug neben mir sitzt, hat einen Teil meiner Zeitung erbeutet und geht daran sie wie ein Erwachsener zu lesen, hält sie jedoch verkehrt herum. Er wird ungeduldig, reisst die Seite ein, zerknüllt sie, glättet sie wieder, liest sie erneut, und ich beneide ihn um den wunderbar schwerelosen Umgang mit den täglichen Botschaften des… Read more →

12-8

In den ersten Sonnenstrahlen, die seine Äste zum Leuchten bringen, sieht das Bäumchen wie eine tanzende Figur aus, eine tanzende oder ihr Gleichgewicht suchende nackte Figur. Sie schafft um sich Raum, sie schafft den Raum überhaupt; die umliegenden Gärten treten zögernd von der zweiten in die dritte Dimension.   Meine ganze Aufmerksamkeit hängt an diesem Bäumchen, sie tanzt mit ihm… Read more →

12-5

Ich sah heute Morgen drei Mal die Katze. Das erste Mal sprang sie auf die Mauer, das zweite Mal spazierte sie oben auf der Mauerkrone, beim dritten Mal sass sie auf einem Mauervorsprung. Es waren drei verschiedene Tiere und drei Mauern.   Wenn ich an die vielen Gänge denke, die ich unachtsam und blind gemacht habe, vor allem in der… Read more →

12-4

Die Tage werden kürzer und insgesamt werden sie weniger. Beides ist unausweichlich und keine Frage von Schuld oder Unschuld, Wille und Scham, von Recht und Unrecht, so dass es dich eigentlich nicht betrifft. Du musst dich nicht anstrengen, bloss arrangieren.   Schattenloser Tag; nicht lichtlos, aber ohne Schatten. Die Bestätigung fehlt: für den Baum, dass er dort steht, für den… Read more →