Monat: Dezember 2017

Die Schlangenfrau

Am letzten Verkaufstag vor Weihnachten steht nach Feierabend im hell erleuchteten Raum der Buchhandlung eine junge Frau mit dem Staubsauger in der Hand. Sie macht sauber. Der Schlauch umschlingt halb ihren Leib, sie sieht aus wie eine Schlangenbeschwörerin. Geduldig bearbeitet sie Handbreit für Handbreit den Teppich. Vor dem Laden steht ein Knirps, der sich von der Hand der Mutter losgemacht… Read more →

So wie es Fake News gibt, gibt es die Fake Views, den Blick, der die Realität verfälscht, bearbeitet, beschneidet, verzeichnet. Und wie bei den Fake News haben die Fake Views die Tendenz, die Stelle der Wirklichkeit einzunehmen, diese zu durchsetzen, zu besetzen, ungültig zu machen. Read more →

Ungewöhnlich und irgendwie befremdlich, einen Bauern bei der Arbeit eilen zu sehen. Als hätte er von ihr etwas gründlich missverstanden.   Ihr schrilles Lachen, in dem sie das vorangegangene ernste Gespräch zu Staub zerrieb.   Wenn ich mit andern Leuten bin, habe ich auch keine anderen Sprüche als die ihren. „Er müsste sein Leben endlich in die Hand nehmen“, „Wenn… Read more →

Sie senkte, wenn sie nachdachte, die Augen, und ich sah beim Nachdenken aus dem Fenster.   Sich in der Gegenwart umsehen wie ein Raumfahrer auf einem fremden, bewohnten Planeten.   Wie viele Schneeflocken zerfliessen auf dem Asphalt, bevor eine sich da halten kann!   Die Bahre, die gestern an der Kirchhofmauer lehnte, vier lackierte Latten mit hinten und vorne je… Read more →

Im Gegensatz zum Schneetreiben, wo der Wind die Flocken vor sich her treibt, wirbeln die Flocken jetzt in alle Richtungen, bis zur Horizontalen, sie scheinen nicht Getriebene, sondern Verspielte im morgenlangen Schneereigen.   Das bleibende Bild dieses Morgens ist die dünne Mondsichel zwischen zwei voranstürmenden Wolkenbänken; es währte nur Sekunden und hat sich doch eingeprägt als Wasserzeichen des Tages.  … Read more →

Wie der Zaunkönig herumschlüpft in den niederen Zweigen, den abgefallenen Blättern des Bords, in einem Erdloch verschwindet, als Blatt wiederauftaucht, ohne das Bedürfnis zu spüren, sich vor einem Weibchen wichtig zu machen oder sein Lied zu schmettern. Der König privat, beim täglichen Gang durch die Fluchten seiner unendlich verzweigten Gemächer.   Alle Buchfinken haben im Winter diesen selbstgerecht birnenförmigen Bauch.… Read more →

Sonst ist er ein verschlossener, bärbeissig-eigenwilliger Bauer, der kaum etwas von sich preisgibt. Ab und zu tönt sein Gebrüll aus dem Stall, wenn er eines der Tiere zurechtweist. Nun aber erzählt er mit leiser Stimme, wie eine seiner Kühe, der die Veterinärin den Bauch geöffnet hatte, vor ihm lag und ihn mit brechenden Augen ansah. Und ja, jetzt treten ihm… Read more →

Rumpelstilz

Was er früher bei Aufenthalten in andern Städten erlebt hat, die vollkommene Anonymität, erlebt er jetzt in der eigenen Stadt, allerdings ohne das damit verbundene Hochgefühl. Niemand von den Passanten wird auf ihn aufmerksam. Bekannte von früher erkennen ihn nicht mehr oder werden von ihm nicht mehr erkannt, man geht inkognito aneinander vorbei. Die um ihn sich ausbreitende Fremdheit schlägt… Read more →

Nachts um 10 Uhr kommen mir auf der Dorfstrasse Frauen entgegen. Der Kirchenchor hat seine Probe beendet. Die eine von ihnen singt laut weiter, preist den Schöpfer nicht auf Geheiss des Dirigenten, sondern aus reiner Lebenslust, unbekümmert darum, ob eine von den andern Frauen einfällt. Read more →