Monat: April 2019

Auf dem über 1000 Kilometer langen Shikoku-Tempelweg habe sie am 40. Tag einen älteren Pilger getroffen, der den Weg schon zum vierten Mal mache. Warum er sich das antue, habe sie ihn gefragt. Er sagte, er wisse es nicht. Wenn er es wüsste, würde er aufhören.   Das Schachspiel: ein beharrlicher Kampf gegen den Zufall mit dem Ziel, den Zufall… Read more →

Er hat Mühe, die Dinge mit ihrem Namen zu benennen, er vergisst sie fortlaufend. Er spricht von jenem „weissen Ding“, von jener „Pflanze“ dort, mit ihm bleibt man im Ungefähren. Eine Box aus Styropor wird erst zu einer Box aus Styropor, wenn er sie herumträgt. Was andere mit Sprache erschaffen, erschafft er taktil, in seinen Händen wachsen die Dinge zu… Read more →

Mein Unwille Bettlern gegenüber, die mich unvermittelt ansprechen, bevor ich noch Zeit habe, meine mitmenschlichen Gefühle zu aktivieren. Diese Härte, die ich Minuten später bereue, wenn das Mitgefühl allmählich erwacht sein wird. Verspätung und Umleitung des ICE auf der Rückfahrt wegen „Personen im Geleise“ (so auch in verschiedenen Internetmeldungen). Die Fachsprache eines im öffentlichen Sektor tätigen Unternehmens, die keine Anstrengung… Read more →

Im Club. Die Besucher weitgehend ausgezogen, Kettchen, Strapse, teils mit Lederzeug drapierter nackter Oberkörper, freundlich, auf mögliche Partner aus, andere in den Ecken zu zweit schmusend oder im Halbdunkel kopulierend. Man gibt sich Mühe, möglichst entspannt zu wirken, tauscht Belanglosigkeiten aus, hinter dem Amüsement lauert die Langeweile. Die Augen reden von ihr, der unruhige, abgelöschte Blick, der durch dich hindurchgeht,… Read more →

Auf meine Frage, ob er noch immer nachtwandle, erzählt S., neulich sei er in einer Vollmondnacht draussen vor seiner verschlossenen Wohnungstür im Nachtgewand gestanden. Er war schlafend hinausgewandelt, hatte sich ausgesperrt, die Tür war ins Schloss gefallen. Wahrscheinlich war er davon aufgewacht. Zufälligerweise habe seine Tochter bei ihm an diesem Tag übernachtet, die ihn, schlaftrunken, auf sein Klingeln hin aus… Read more →

Berlin, Jüdisches Museum, Installation „Aural“ von James Turrell. Der Raum, in dem das Licht unmerklich seine Farben und seine Intensität wechselt, hat keine sichtbaren Kanten. Es gibt in ihm keine Objekte, er wirkt ohne Grenzen. Das Raumgefühl löst sich nach einigen Minuten auf, die Zeit steht still, man glaubt zu schweben. Erst im Nachhinein, wenn man wieder ausserhalb ist, merkt… Read more →

Von einer Säge geweckt, die im Gehirn weitersägte, als sie schon längst verstummt war.   Abends auf der Heimfahrt erinnert sie an das Wort „gleichsam“, das Hans Saner so lieb gewesen sei, damals als er an der Musikakademie Basel Unterricht („ja wahre Vorlesungen“) gab. Ein schönes Gefühl, im Auto gegen Mitternacht, die Gegend in ruhiger Weite unter den leichten Wolken,… Read more →

„Schmerz an sich ist in Ordnung. Aber Schmerz plus Widerstand wird zu Leiden.“ (Peter Hoeg, Durch deine Augen. Hanser 2019)   Wenn ich vor den Fernsehnachrichten sitze, habe ich das Gefühl ich hätte einen Teil von mir an der Garderobe gelassen. Den gefütterten, den wärmenden.   Unsere Lebensaufgabe hat ihren Sinn darin, dass wir an ihr wachsen, uns an ihr… Read more →

Heimkehr

Spätabends gehst du durchs Dorf. Vereinzelt ist noch ein Fenster erhellt, hinter dem es Geschichten gibt, die nie erzählt werden und dich nichts angehen, dessen Geschichte hier auf der menschenleeren Strasse zwischen den schweigenden Kulissen sich abspult, ohne dass sie jemand bemerkt ausser dir, dem sie für diesen Moment kurz aufscheint und zur Geltung kommt. Dir ist kühl, du hast… Read more →

Jedes Alter hat seine eigene Panik. Die Angst vor dem Verlassenwerden, vor der Ausgrenzung, vor dem Verpassen des Lebenspartners, dem Versagen im Beruf, dem körperlichen Zerfall. Sind alle Ängste durchbuchstabiert, schreibt sich als letzte die Angst ein, die im Hintergrund stets präsent war, die andern begleitete, von ihnen verdeckt wurde: nicht zu wissen, wozu das alles hätte gut sein sollen.… Read more →