Monat: Mai 2020

Proust über die Frauen: „denn Albertines Rede hatte bereits etwas so sinnlich Schmeichelndes, dass sie, beim blossen Sprechen schon, einen zu küssen schien.“ Etwas später: „Deswegen sind die etwas schwierigen Frauen, die man nicht auf der Stelle besitzt, von denen man nicht einmal gleich weiss, ob man sie jemals besitzen wird, die einzig interessanten.“  (Die Welt der Guermantes)   Ein… Read more →

Mitten in der Stadt wird sie von einem jungen Typen angespuckt einzig deshalb, weil sie alt (und eine Frau) ist. Dass man während des Lockdowns vermehrt Rücksicht auf Alte und Gefährdete nahm, hat umgeschlagen in Hass. Um jeden Preis muss nun die alte Ordnung wieder her.   Proust über die soeben gestorbene Grossmutter des Erzählers: „Auf dieses letzte Lager hatte… Read more →

Den ganzen Morgen erzählt die Mönchsgrasmücke eine Geschichte, und durchaus nicht immer dieselbe. Ich verstehe nichts, geniesse nur einfach das Zuhören, Rhythmus und Duktus, „das tief erregende in maass und klang“, wie Stefan George das Wesen der Dichtung umschrieb. Art pour l’art der Natur – der kleine Vogel als epischer Dichter.   Das Quarantänedasein befördert auf beängstigende Weise die Tendenz,… Read more →

Den ganzen Morgen erzählt die Mönchsgrasmücke eine Geschichte, und durchaus nicht immer dieselbe. Ich verstehe nichts, geniesse nur einfach das Zuhören, Rhythmus und Duktus, „das tief erregende in maass und klang“, wie Stefan George das Wesen der Dichtung umschrieb. Art pour l’art der Natur – der kleine Vogel als epischer Dichter.   Das Quarantänedasein befördert auf beängstigende Weise die Tendenz,… Read more →

Der Zufall malt in das Fensterquadrat vor mir ein Bild. Darauf stehen die Teekanne, vielmehr ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe, und neben ihr, draussen am Strässchen, halb so gross wie sie, ein Hydrant. Sie sind einander leicht zugewendet, als wollten sie ein Gespräch beginnen, und so, in ihrer Zweisamkeit, ihrer Verwandtschaft als Wasserspender, werden sie Mutter und Sohn.   Der… Read more →

So wie in Frankreich zur Zeit des Lockdowns jedermann einen Passagierschein braucht, um die Dringlichkeit seines Erscheinens draussen zu belegen, sollte für jedes Adjektiv, das in einem Text auftritt, eine Begründung für sein Dastehen verlangt werden. Verschärfter Lockdown: ein Passagierschein für jeden Satz.   Vögel bringen den Raum in Erinnerung, Knospen die Zeit.   Read more →

Der Fliegendreck an der Scheibe wird auf einmal zum Fluchtpunkt des Sehens, von wo aus die Blicke weggehen und wohin sie zurückkehren. Der Fliegendreck, das Zentrum der Scheibe, ein Ego im Glas.   Windiger Tag; die Bäume üben das Sich-voreinander-Verbeugen.   Über die Bewegungen des Marktes wissen die Politiker auch nicht mehr als über die Kapriolen der Corona-Epidemie. Sie hinken… Read more →

Fragen für die Katz

Was stehst du dort, Katze vor der Mauer? Was schaust du an ihr hoch? Reift in dir ein Entschluss, wirst du auf die Mauer springen? Du gehst nach links weiter. Warum nach links? Warum bist du nicht gesprungen? Warum kommst du jetzt zurück? Du hältst an. Warum setzt du dich jetzt hin, warum mitten auf die Strasse? Read more →

Auf arte eine Sendung über die Geschichte der Arbeiterbewegung, darin Gruppenfotos von Arbeitern bei der Arbeit, beim Bier, Massenszenen von Demos. Jedes Mal zucke ich zusammen: So nahe dürft ihr doch nicht! Doch nicht so viele zusammen! Der Coronablick hat von mir Besitz und dahinter hat die Sehnsucht Platz genommen, wieder einmal unter Freunden, Bekannten, Fremden distanzlos berührungsfreudig sein zu… Read more →