Unten im Treppenhaus sind zwei Schlagbohrer im Einsatz. Sie geben einander Antwort, der eine ist tief und laut, der andere hell und etwas leise. Gestern, als wir mit dem Gepäck eintraten, standen die Türen des Hauseingangs, sonst gut gesichert, sperrangelweit offen, ebenso die Tür in den Keller, die den Blick auf eine steile, brüchig aussehende Holztreppe freigab.
Den Code am Eingang, 5 Ziffern, die ich im Zug und in der Metro bestimmt ein halbes Dutzend Mal nachgesehen hatte, ohne sie mir merken zu können, brauchte ich nicht.
Die Treppe in den dritten Stock führt in abgetretenen Stufen aus Holz in leichter Drehung nach oben. An gewissen Orten knarrt sie. Die Zwischenböden sind eng, die von ihnen abgehenden Türen schmal und sehr nahe. Das Hinaufsteigen vollzieht sich in einer beklemmenden Intimität mit den Leuten, die hier wohnen, die nicht zu sehen sind, die man, wären die Wände weg, mit dem Arm berühren könnte, nackt im Bad oder in der Küchenschürze vor dem Herd.
Das Wiedererkennen eines Orts (Gare de Lyon) gibt ein Gefühl von Geschütztsein. Es ist, als würde man die Passanten vom letzten Mal her noch kennen, als hätte einem die Beamtin hinter dem Schalter schon mehrmals den Pass für das öffentliche Verkehrsnetz ausgestellt. Der Wohlstandsbürger fühlt sich dank Bankcard und Reiseroutine überall daheim. Er ärgert sich zwar darüber, dass die Welt wenigen Superreichen gehört, aber zumindest metaphorisch gehört sie auch ihm. Mit aller Selbstverständlichkeit klinkt er sich ein in das Netz ihrer Dienstleistungen.
Es ist später Abend, als der Minotaurus erscheint. Ein Mann tritt ans offene Fenster gegenüber; er hat sich eine Stiermaske über den Kopf gezogen. Zwei Hörner wachsen aus seinen Schläfen. Halb vorgebeugt, bleibt er ohne Regung, nur die Zigarette bewegt sich, die er in der Hand hält. Dünner Rauch strömt aus dem Mundschlitz. Wohin schaut er? In Abständen geht seine Hand vom Geländer zu seinen Lippen und zurück. Der Minotaurus raucht. Er raucht, die Zeit bleibt stehen.