Gelegentlich passiert es mir, dass ich bei Zitaten, Aphorismen, Lebensweisheiten ein „nicht“ oder „un-“ überlese und mich vom Gegenteil des Gemeinten problemlos überzeugen lasse.   Bei Proust hüpft ein Vogel zwischen den Blüten an einem Apfelbaum hin und her, die „nachgiebig stillhielten“, und es erstaunt nicht, dass auf dem Fuss dieser erotischen Zauberformel der Vergleich mit einem Liebhaber folgt. Read more →

Ob ich gerade glücklich bin, werde ich erst im Nachhinein wissen. Dagegen spüre ich gleich im Moment, dass ich verstimmt, unruhig, wütend bin. Bist du glücklich? – Frag mich später.   Immer dringender möchte ich in einer Welt leben, wo die grossen Veränderungen nicht durch wegweisende Entscheidungen und spektakuläre Erfindungen auf den Weg gebracht werden, sondern durch kleine Schritte. Kleine… Read more →

Ich lese in zwei verschiedenen Büchern über zwei unterschiedliche Väter, einen freundlich-liebenden (Friederike Mayröcker, Reise durch die Nacht) und einen hasserfüllten Schläger (Mina Harva, Für Seka). Beide vermischen sich in meinem Kopf zu einem Gesamtbild, einer Art Idealvorstellung von Vater, den man wärmend in seinem Rücken spürt und den man, dreht man sich um, von sich wegboxen kann.   Meine… Read more →

Bin ich unterwegs, streunen die Sinne unruhig herum, sodass nie ein richtiges Gespräch mit dem zustande kommt, was sie bemerken. Erst im ruhigen Verweilen zu Hause kommen die Dinge zu mir, und ich spüre ich ihren Blick. Letztlich bin ich dort zu Hause, wo die Dinge mich anschauen.   Psychisch angeschlagen sein heisst auch angeschlagen sein wie eine Glocke, die… Read more →

Wenn man daran zweifelt, ob Karl Marx die ökonomischen Dinge auch richtig gesehen habe, braucht man nur irgendwo einen Satz von ihm zitiert zu finden, um wieder Klarheit zu haben, etwa diesen, zitiert im Monde diplomatique, April 23: Nach Marx ist, sagt Verfasserin Laleh Khalili, „jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern… Read more →

Die Topfpflanze in meiner Hotelunterkunft wartet mit ihren hängenden Blättern auf Rettung, auf einen Schluck Wasser, während es vor dem Fenster wie aus Kübeln giesst.   Durch die Altstadt von Bern begleitet mich eine Bettlerin, die in gebrochenem Deutsch auf mich einspricht, zu mir fleht, den Namen Jesus Christus wiederholt, die Hand auf das Herz legt. Sie will zweihundert Franken… Read more →

Das Foto, das beim Aufstarten des Computers auf dem Bildschirm erscheint, führt Berge vor Augen, Schneeberge, im Vordergrund eine Landschaft mit Maquis, grünes Buschwerk, durch das sich ein Weg schlängelt. Ich schaue lange auf den Weg, bevor ich zu arbeiten beginne. Einzig der Weg fasziniert mich. Er erzählt von der Existenz des Menschen, der nicht zu sehen, aber in seinen… Read more →

Erweisen sich die Antworten von ChatGPT als falsch oder abwegig, probiert das System neue Parameter durch. Es schämt sich nicht, ärgert sich nicht, kriegt keine Depressionen. Das Sich-Irren und Danebenhauen ist das Lebenselixier, in dem es stark wird. Lernen von ChatGPT.   „Wellness für Ihre Baustellen.“ (Aufschrift auf einem Wagen der Abfallentsorgung) Read more →

Sie bringt es fertig, bei der Wegbeschreibung zu ihrer Wohnung vom „ÖV“ zu reden, den wir zu nehmen hätten, ohne zu sagen, worum es sich handelt ob um Zug, S-Bahn oder Tram. Den Fussweg von der Endstation schildert sie in allen Details, ohne ihre Wohnadresse anzugeben. Sie ist eine Person, die voraussetzt, dass man stets weiss, was sie sagen will.… Read more →