Über die Wirksamkeit von Literatur

Ich liege fröstelnd im Bett, mein Körper will einfach nicht warm werden. Ich lese eine Geschichte von Emmanuel Bove (in der ausgezeichneten Übersetzung von Martin Zingg). Sie handelt von einem Bettler, der in einer Winternacht frierend in der Stadt umherzieht, die Kleider vom Regen durchnässt, die Schuhe voll Wasser. Normalerweise kriege ich unter der Decke warm, doch heute bin ich so durchgefroren, dass ich Beine und Füsse nicht spüre. Obwohl ich müde bin, beginne ich die zweite Geschichte zu lesen. „An einem warmen Augusttag spazierte ich im Park von Montsouris“, lese ich, und wenig später: „Die Luft zitterte im Sonnenlicht.“ Nach wenigen Seiten bin ich so müde, dass mir die Augen zufallen. „Es war heiss“, ist das letzte, was ich von der Geschichte mitbekomme. Ich sitze auf einer Bank im Park Montsouris an einem Augusttag, im Schatten eines Baums, und rutsche etwas tiefer. Spüre die Wärme, die vom Boden aufsteigt. Spüre, wie der Schlaf kommt. Die Füsse, die Beine und der ganze Körper sind warm und schwer.

Soviel zur Frage, ob Lesen, ob Literatur etwas zu verändern vermag.

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