Täglich muss man sich neu kalibrieren. Was gestern galt, ist heute obsolet. Die NATO war für mich bislang eine Gruppe von kriegsbegeisterten alten Herren, die Sandkastenspiele liebten und ihre Macht nach Osten auszudehnen trachteten. Über Nacht ist aus diesem Gremium und diesem militärischen Potenzial eine Schutzmacht geworden, um deren Hilfe die westeuropäischen Länder betteln.

Pazifismus war für mich eine Haltung, die einzunehmen selbstverständlich war. Jetzt ist Pazifismus eine Handlungsanweisung geworden, die darin besteht, den Frieden wiederherzustellen, eventuell auch mit Gewalt, mit der Besiegung des Aggressors.

Diese inhaltliche Neuausrichtung stellt mich selbst infrage. Ich weiß nicht mehr, ob ich noch der bin, der ich gestern war. Ob ich die Überzeugungen, die ich ein Leben lang mit mir trug, leichtfertig über Bord werfe oder ob sie eine Täuschung waren, deren ich mich jetzt entledigt habe.

Das Misstrauen, fake News aufzusitzen, erfasst in nie gekanntem Ausmass auch die inneren Vorgänge. Sind die eigenen Überlegungen nicht Resultat ungeprüft übernommener Annahmen? Sind die eigenen Schlüsse nicht Produkte von Vorspiegelungen?

Auf der Hut zu sein ist eine Haltung, die es nun auch sich selbst gegenüber einzunehmen gilt, stärker und konsequenter als bisher.

 

Auf einem Karton an einem Balkon in Kiew steht: PUTIN – PUTOUT. Sprachwitz ist unbesiegbar.