Nach einer sehr warmen Woche und anschliessendem Regen ist das Volumen der Vegetation gewachsen, die Formen sind angequollen, die Wege und Strässchen dagegen schmal geworden. Im leichten Morgennebel versinken die Häuser im Grün wie eine Aztekensiedlung im peruanischen Urwald. Die kleinen Räume meiner Wohnung halten die meisten Besucher dazu an, leiser zu reden. Andere befinden sich nicht hier, sondern bei… Read more →

Katzenwerbung

Die schwarze Katze dort nimmt sich für ihr Liebesspiel Zeit. Sie schaut den Tiger eine Weile an, dreht den Kopf gelangweilt weg, schaut wieder hin, putzt ihr Fell. Sie erhebt sich, geht gemächlich fort, hält inne, schaut sich nach der andern um, macht kehrt, kommt zurück, hat den ganzen Tag Zeit, ihr Interesse hinter einer Inszenierung aus Gleichgültigkeit erkennen zu… Read more →

Vor drei Tagen brüllte ich mir vor Wut das Herz aus dem Leib, heute weiss ich nicht mehr weswegen. Das Brüllen hat offenbar genützt, der Stachel ist auf der Stelle rausgesprungen. Ein ovales Loch im weissen Gewölk, das aussieht wie ein Auge. Gegen seinen Rand zu ein rundes Wölkchen, das bewirkt, dass das Auge schielend an mir vorbei zielt. Read more →

Die Natur steht auf dem Kulminationspunkt des Frühlings: Die Blätter sind frisch aus den Knospen gesprungen und hüllen die Zweige in ein durchsichtiges Grün. Sie weisen hin auf die Wärme des Sommers, während die kahlen Bäume noch ganz dem Winter zugewandt scheinen. Alles ist eingespannt in die Polarität von Zukunft und Vergangenheit, aber die Pole verschieben sich von Tag zu… Read more →

Seine Finger, stets kalt, sommers und winters gleich kalt, sind immerzu bedürftig nach Wärme, sind Tag und Nacht bedürftig nach Wärme. Der aufrechte Gang einer Schwangeren, ihr selbstbewusster Schritt. Nach dem Wirbel der Party war er sich selbst die liebste Gesellschaft. Von allen unbemerkt begleitete er sich nach Hause und ging mit sich ins Bett. Read more →

Der Milan, der gerade über mich weg hinters Haus gesegelt ist, blitzt unten auf dem Boden als Schatten noch einmal vorbei. Der Nachbar geht rückwärts Schritt für Schritt vor dem neu erworbenen Mähroboter her, gebückt, ihn nicht aus den Augen lassend, als ermuntere er einen jungen Hund zum Gehen. Bis ich mich heute in Schreibstimmung gelesen hatte, legten die Amseln… Read more →

Aus Tel Aviv die E-Mail einer Freundin. Sie lebt mitten im  Krieg, in einer hoch explosiven politischen Situation, und schreibt den erstaunlichen Satz: „I hardly know what to write. What can I say.“ Früher schrieb sie rasch und viel. Jetzt dringt so viel auf sie ein, dass sie dafür keine Sprache findet. Sprachlosigkeit kann auch durch einen Überdruck an Inhalt… Read more →

Das Rennen auf den Zug in Mailand, mitten aus dem Essen im Restaurant weg, nach hastigem Aufspringen und Bezahlen, das unhöfliche Beiseiteschieben des Kontrolleurs vor den Quais, das Hasten den geschlossenen Wagen entlang bis zur Zugspitze, wo die Türen hinter uns zufallen, all dies vermag der Erinnerung an die schwelgerische Selbstvergessenheit vor dem gefüllten Teller und bei einem Glas Wein… Read more →

In allem Gewoge, aller Aufgewühltheit des Meeres bleibt der Horizontstrich unerschütterlich gerade. Am frühen Morgen war er eine waagrechte glühende Nadel, gehalten von Wasser und Himmel. Das rote Strandfähnchen ist heute nicht sichtbar. Wo ist es? An seinem Ort. Es zeigt exakt auf mich. Ich spreche mit der Waschmaschine geduldig wie mit einem Kind, bis sie läuft. Von da an… Read more →

Dauerregen. Meer und Himmel bilden eine grau grundierte Leinwand, wo laufend übermalt wird, was sich darauf zeigt. Gebeugte Gestalten mit Schirm werden auf dem Gehweg von ungeduldigen kleinen Hunden vorbeigezogen. Als würde ich, wenn ich keine Nachrichten höre, das Recht verwirken Europäer zu sein. Das melancholische Bratschensolo der Schranktür, die von allein langsam zugeht. Geräusche des fremden Hauses bewohnen mich.… Read more →