Ein Jogger rennt frühmorgens durch den Park. Die rechte Hand, straff gestreckt bis zum letzten Fingerglied, schneidet scharf die Luft, während die linke, rund und hohl, diese unentwegt nachzuschöpfen scheint. Sein Körper bewegt sich zwischen der angespannten und der locker entspannten Hand, zwischen Yang und Yin, ohne dass er davon etwas ahnt, in geschmeidiger Harmonie, als sei sein Joggingweg nichts… Read more →
Autor: Rudolf Bussmann
Die kleinen Vorgänge des Alltags, über die niemand spricht. Etwa wenn der Knecht, nachdem er aus seinem Jeep eine Kettensäge herausgenommen und auf dem Traktor deponiert hat, nach dem Abschliessen des Wagens diesen noch einmal öffnet, um weitere Dinge herauszuholen. Er schliesst die Türe wieder ab, wendet sich zum Gehen, hält inne, öffnet den Wagen abermals, nestelt auf einem der… Read more →
In der Stadt das Gefühl, dabei zu sein. Auf dem Land das Gefühl, da zu sein. Als ich im alten Schopf einen Nagel einschlage, beginnen sich an verschiedenen Stellen an der Wand kleine Schatten zu regen: Spinnen und kleine Lebewesen, die blitzgeschwind in ihren Spalten verschwinden. Eine bevölkerte Wand. Ein Schopf für Ritzenexistenzen. Die am Fernsehen gezeigten Bilder aus dem… Read more →
Der Nobelpreis für Literatur geht an
Mit dem Buch auf dem Nachttisch ist seit dem Mittag eine Veränderung vor sich gegangen, seit dreizehn Uhr fünfzehn, als auskam, wem dieses Jahr die Würde zukommen soll. Am Abend liegt es als Preziose eingeschäumt in der Mulde der Decke. Die Wörter sind gewichtig geworden, den Sätzen entsteigt ein feiner Klang, Glitzer liegt über den Zeilen. Langsam drehen sich die… Read more →
Der freundliche Professor erbarmte sich damals an der Schlussprüfung meines Gestammels, nahm mir das Wort aus dem Mund und erklärte mir geduldig, was ich ihm hätte erklären wollen. Für seine perfekten Ausführungen setzte er dann, konsequenterweise, eine gute Note. Warten auf einen telefonischen Anruf. Die Vergangenheit ist eingeschmolzen auf das Gespräch vom Vortag, während sich die Zukunft auf die erhoffte… Read more →
Die Kohorten von Staren, die überall umherschwirren, sich flüchtig niederlassen, um gleich wieder aufzustieben, an den nächsten Ort, bringen nicht nur Unruhe in den Nieseltag, sie sind die Unruhe, wiegeln die Gegend auf, tragen ihre Nervosität auf Frucht und Baum, bringen den bleiernen Himmel zum Sieden, senken tief in die Herzen den blinden Drang wegzuziehen, gleich wohin, einfach fort, fort.… Read more →
Noch immer die Magie der heruntergefallenen Kastanien: wie die Hände danach verlangen, sie zu streicheln, zu umschmeicheln. Ich möchte alle Taschen mit Kastanienglück füllen und es mit anderen teilen auf einer zeitlosen Kastanienparty. Die Sterne waren gestern Nacht so nah und gross wie noch selten. Ich glaubte schon an ein Augenwunder, als mir eine warme Bö durchs Haar fuhr: Es… Read more →
Die hellen Dinge leuchten an diesem düsteren Tag doppelt: Tassen, Kessel, Simse, die Wange eines vorübergehenden Mädchens. Fehlt die Sonne, schlägt die Stunde ihrer treuen Stellvertreter. Die Kirchenuhr ist wieder stehengeblieben, sie zeigt zwanzig nach vier. Dieser Zeitpunkt bildet eine Art Schwelle im Tag, das Leben organisiert sich um ihn herum: Es ist noch nicht zwanzig nach vier, oder es… Read more →
Wo gestern Nacht die Sichel des Monds stand, dort über dem Hügelzug, am genau gleichen Ort, kreisen heute zwei Milane. Das mag an sich nicht der Rede wert erscheinen, aber irgendwie hat dieses Zusammenspiel so verschiedener Mitwirkender wie einem Himmelskörper, einem alten Erdengebirge, zwei Vögeln und einer Zeitspanne von zwölf Stunden den Zauber eines Märchens. Während Irina die Ukrainerin mit… Read more →
„Klavierspielen ist ja nichts als mit der Schwerkraft zu spielen, die Finger und die Hände und die Arme im richtigen Moment am richtigen Ort aus der richtigen Höhe fallen zu lassen, sich ganz der Schwerkraft hinzugeben und dennoch in der Vertikalen zu bleiben.“ (C. in einer E-Mail) Der letzte Halbsatz beschreibt gleichsam die buddhistische Grundhaltung hinter dem Spiel. Der leichte… Read more →