Autor: Rudolf Bussmann

Die hellen Dinge leuchten an diesem düsteren Tag doppelt: Tassen, Kessel, Simse, die Wange eines vorübergehenden Mädchens. Fehlt die Sonne, schlägt die Stunde ihrer treuen Stellvertreter. Die Kirchenuhr ist wieder stehengeblieben, sie zeigt zwanzig nach vier. Dieser Zeitpunkt bildet eine Art Schwelle im Tag, das Leben organisiert sich um ihn herum: Es ist noch nicht zwanzig nach vier, oder es… Read more →

Wo gestern Nacht die Sichel des Monds stand, dort über dem Hügelzug, am genau gleichen Ort, kreisen heute zwei Milane. Das mag an sich nicht der Rede wert erscheinen, aber irgendwie hat dieses Zusammenspiel so verschiedener Mitwirkender wie einem Himmelskörper, einem alten Erdengebirge, zwei Vögeln und einer Zeitspanne von zwölf Stunden den Zauber eines Märchens. Während Irina die Ukrainerin mit… Read more →

„Klavierspielen ist ja nichts als mit der Schwerkraft zu spielen, die Finger und die Hände und die Arme im richtigen Moment am richtigen Ort aus der richtigen Höhe fallen zu lassen, sich ganz der Schwerkraft hinzugeben und dennoch in der Vertikalen zu bleiben.“ (C. in einer E-Mail) Der letzte Halbsatz beschreibt gleichsam die buddhistische Grundhaltung hinter dem Spiel. Der leichte… Read more →

Die Vögel, die jetzt singen, an einem Augusthitzemorgen, tun es so leise und diskret, dass sie nur zu hören sind, wenn der Wind nicht in den Blättern raschelt. Als möchten sie sich im Stillen vergewissern, dass ihre Stimme noch da ist. Einzig die Schwalben rufen laut rüber nach Afrika. Die Äpfel, Schwärme farbiger Kugeln, die vom Wind bewegt dort drüben… Read more →

Die Wolken sammeln sich seit dem frühen Morgen zu dem Gewitter, das auf den Abend angekündigt ist. Sie sind noch unschlüssig, wo sie es niedergehen lassen werden. Der Ort ist Gegenstand bewegter, widersprüchlicher, von Stimmungsumschwüngen und ständig wechselnden Koalitionen geprägten Auseinandersetzungen. Man merkt den Fehlern in einem Text aus einem ChatGPT-Schreibstall an, welches Sprachheu diesem zugeführt wurde. Read more →

Hast du bemerkt, unter welchem mächtigen Baum wir stehen? Wie heisst denn dieser exotische Riese?, fragt mich H. Wir blicken in eine ausladende, zugleich lichte Krone. Das Pflanzenerkennungsprogramm sagt, es handle sich um einen Schnurbaum. Wir schauen uns enttäuscht an. Ist das  nicht allzu profan? Japanischer Schnurbaum klingt schon besser. Perlschnurbaum, gar Japanischer Perlschnurbaum akzeptieren wir als dem Erscheinungsbild des… Read more →

Wieder ein Tag, an dem mein Blick nicht über das Nächstliegende hinausgekommen ist, wo die Giebel so unbeachtet blieben wie die Wiesen und die Kondensstreifen am Himmel und die Schwalben. Ein Kokontag. Read more →

Die Katze der Nachbarin, die auf der Wiese eine Feldmaus erwischt hat, kommt mit ihrer Beute in die Küche, geht zu ihrem Fressnapf, lässt die tote Maus hinein fallen und verspeist sie da, am gewohnten Ort ihrer Mahlzeiten, wie eine wohlerzogenes Kind. In der Stille über den Feldern getränkt in kräftigem Tau lässt sich schon das süße Gift des Herbstes… Read more →

Gestürzt

Das lange Etwas, das vor mir auf dem Gehsteig liegt – ein verbogenes Metallteil?, ein Stück Holz? – ist nichts anderes als mein linker Arm. Ich bin gestolpert, vor mir erhob sich auf einmal eine Wand, die rasch näher kam, die sich rasend schnell unter mich schob wie ein Laufband, mit dem ich Schritt zu halten versuchte. Dann schlug ich… Read more →

Ein Husten, Niesen aus der Ferne oder ein nahes Seufzen haben die Anmutung eines Vogelrufs. Sie sind Ausdruck, Äusserung ohne mir etwas mitteilen zu wollen, Anwesenheit ohne Nötigung. Die israelische Armee zerbombt in der Nähe der Stadt Chan Junis das Zeltlager Al-Mawasi für Flüchtlinge, das sie zuvor als humanitäre Zone deklariert hat. Die Hamas spricht von über 90 Toten und… Read more →