An der Fensterfront steht man wie vor einem Gemälde: im Vordergrund eine Wiese, dahinter ein Bächlein mit Büschen und Bäumen, die sich zum kleinen Haus hin ziehen. Satte Farben, hauchfeine Details. Wachsende Sehnsucht danach, in das Gemälde hineinzugehen.
Blick von der Fondation Beyeler Riehen
Du nimmst den Umweg um das Feld, gehst dem Lauf des Baches entlang, kommst gegen das Haus unter der Baumgruppe. Es riecht nach feuchtem Laub, nach Erde. Das Bild ist nicht wiederzuerkennen. Die Bäume, das Feld, der Bachlauf, alles ist da, alles ist in seiner Art schön. Doch ohne Struktur. Das Gesamtbild ist einem Hintereinander von Einzelobjekten gewichen, das ursprüngliche Ensemble aufgelöst. Vor dem Haus steht ein Fahrrad, Freizeitgeräte liegen herum. Der Garten ist einladend, aber kein Ort der ästhetischen Lust.
Dort drüben jedoch, am Sonnenhügel mit seiner farbigen Kuppe, mit seinen golden den Hang herabziehenden Rebstöcken – dort wohnt die Lust, dorthin zieht die Sehnsucht, dort müsste man jetzt sein. Du brauchst nicht den Umweg über den Hügel zu machen um zu wissen, dass sich die Komposition im Näherkommen zersetzen, dass ihre Ästhetik übergehen wird in die Zufälligkeit der Nähe.
Stattdessen spazierst du weiter, dem Wald zu, der die kleine Ebene begrenzt, einem neuen Bild zu, das du betreten, hinter dir lassen wirst, das hinter dir in der Herbstsonne verbrennt.
Am Ende des Nachmittags bist du durch Bilder gegangen, hast sie gehend und sehend zerstört. Irgendwo im Kopf sind sie geblieben, zerlegt in kleinste Bestandteile, wie die Gehirnforscher wissen. Aus den Bestandteilen kann die Erinnerung wieder ein Bild machen, ein neues, verändertes Bild ohne den Wind und ohne Gerüche, ein verletzliches, sogleich wieder zerfallendes Bild. Geblieben sind die Lust und die Sehnsucht. Sie sind in allem Wechsel die Konstanten, der beständige Hunger, der den Wolf in dir vorwärtstreibt auf seiner Suche nach Nahrung.