Friederike Mayröcker ist gestorben, eine literarische Institution, die wie seit Jahrhunderten zwischen ihren Blättern, Schallplatten, Büchern über die Schrift wachte und sich ununterbrochen in Sprache auflöste mit allem, womit sie gerade zugange war, was sie gerade fühlte, dachte, las. Sie war eine Membran, in der Leben in Sprache, Sprache in Leben überging und an der sie sich gleichzeitig teilten. Wir haben eine grosse Fürsprecherin des Alltags in der Sprache, eine Fürsprecherin der Sprache im Alltag verloren. Wenige, die, wenn überhaupt, ihre Stelle einnehmen können.

 

Grauer Himmel, finsterer Tag, Nebel wie im Spätherbst. Die Tochter des verstorbenen Nachbarn, die für jemanden im Haus zwei Plastiksäcke mit getragenen Schuhen gebracht hat, weist nach unserer Begrüssung sogleich auf die fast mannshohe Rhabarberstaude im Garten hin: Wem ist die? – Mir. Möchten Sie Rhabarber? – Ja! Die Antwort kommt etwas zu rasch und zu unhöflich; die Gier, zu den Stängeln zu kommen, schlägt unverblümt auf das Sprechverhalten durch.

 

Seit D. wieder nach Frankreich hinüber zu ihrer Töpferin fahren kann, um ihre Töpfereien zu brennen, wächst um sie die Zahl der Schalen, Köpfe und Töpfe, der Kugeln und Vasen, Ammonshörner, Schnecken und Vögel unerbittlich an. Überall im Garten stehen die Objekte herum, im Rasen, auf dem Vorplatz, in den Blumenbeeten. Pygmalion schuf einen Menschen und hauchte ihm Leben ein. Die Amateurin schafft Dutzende Wesen, die ihre Leblosigkeit nie überwinden.

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