Auf dem Friedhof Montparnasse gibt es bei einigen Gräbern Fotos oder Bilder, die einen Toten als Lebenden zeigen, als einen, der lacht, der am Leben Spass hat. Das hat etwas seltsam Unangemessenes, Unpassendes. Auf den Friedhof gehen, heisst anerkennen, dass der geliebte Mensch endgültig gegangen ist, dass er nicht mehr zu unserer Welt gehört. Man kann ihn andernorts wiederbeleben, in einem Buch, einem Film, einer Anekdote, nicht aber im Friedhof. Vielleicht ist es überhaupt falsch und ein Irrtum, hier den Geist der Toten zu suchen, vielleicht sucht hier nur unser Trostbedürfnis „das, was bleibt“, die Seele. Vielleicht ist der Friedhof doch nichts anderes als das, nach dem er aussieht, ein trauriges, graues Stück Erde mitten in einem belebten Quartier, das ihn ausspart, aus sich ausstösst wie einen verdammten Brocken Fremdland.
Zu Dutzenden stehen in einem kleinen Park an der place des Abbesses Einheimische und Touristen vor einer Wand. Sie zeigen darauf, machen Fotos, vergleichen sie, machen Selfies, reden angeregt miteinander. Auf der Wand steht ein einziger Satz: „Ich liebe dich.“ In 311 Schriften und 250 Sprachen steht er da, geschrieben auf Emailletafeln. Bemerkenswert diese Faszination der einfachen Botschaft, die in Zeiten des Krieges und des Hasses etwas Nostalgisches hat und zugleich von utopischer Kraft ist.